Wenn wir diese schreckliche Wahrheit an uns heranlassen, ihr nicht mehr ausweichen, dann haben wir eine wichtige Station auf dem Trauerweg erreicht. Hier gibt es kein Zurück mehr, keine Abkürzung. Der Trauerschmerz muss nun bewusst wahrgenommen und ausgehalten werden, sonst gibt es keine Heilung. Wie der scharfe Schmerz nach einer Stichwunde die Abwehrkräfte des Körpers mobilisiert, so brauchen wir auch den seelischen Schmerz der Trauer. Unsere Seele ist durch den Verlust verwundet. Ein Mensch, der dir „am Herzen lag“, mit dem du eng verbunden, verwachsen warst, wird von dir weggerissen. Nun fehlt da ein Stück. In deinem „Herzen“ klafft eine offene Wunde. Würde die Seele nicht alle Heilkräfte einsetzen, die der Schöpfer in uns hineingelegt hat, dann würden wir seelisch „verbluten“. Deshalb müssen wir diesen Prozess der Trauer durchleiden. Auch wenn du befürchtest, dass deine Kraft nicht ausreichen wird, hole tief Luft und tu den nächsten Schritt. Vielleicht zitternd und mit weichen Knien, doch du wirst spüren, dass du auf dem Trauerweg nicht alleine bist.
Jesus Christus sagte einmal: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Johannes 8, 32) Wenn das Gespinst der Illusionen und der selbstgebastelten Lügen zerreißt, wenn der frische Wind der Wirklichkeit durch unsere Gedanken weht, dann haben wir eine große Chance. Wir sehen klar. Die Nebelschwaden, die unser Denken umhüllen, lösen sich auf. Das Land, das sich vor unseren Augen ausbreitet, ist fremd, vielleicht düster. Wir haben Angst vor dem, was auf uns zukommt. Wir fühlen uns schwach und hilflos. Und doch können wir erleben, dass auf geheimnisvolle Weise neue Kräfte in uns aufsteigen. Woher stammen sie?
Ich habe erlebt, dass ich in solchen Stunden der Wahrheit mit neuer Kraft erfüllt wurde. Diese Energie stammt vom Schöpfer des Lebens – von Gott, der unser Entsetzen kennt und unseren Kummer versteht. Sie reicht nicht, um Bäume auszureißen. Aber sie genügt, damit ich unter der Last der Wahrheit nicht zusammenbreche. Dieses Versprechen ist sogar im Vaterunser enthalten: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ (Matthäus 6,11) Brot ist ein Symbol für alles, was uns Kraft und Mut gibt. Die Sorgen von morgen sind heute noch nicht dran. Wir haben genug an der Last von heute zu tragen.
Probiere das aus. Bitte Gott, den Schöpfer des Lebens, dir zu helfen, das Schreckliche zu ertragen, zumindest hier und jetzt. Mehr wird nicht verlangt. „Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ (Matthäus 6,4) Wenn wir uns auf dem Trauerweg vorantasten, sehen wir oft nicht weiter als bis zum nächsten Schritt. Mehr ist heute nicht nötig. Morgen – morgen ist ein neuer Tag, und da gibt es neue Hilfe.
Tipp: Notiere deine Gedanken und Empfindungen in einem Trauer-Tagebuch.