Dietrich Bonhoeffers Morgengebet

Den Tag zuversichtlich zu beginnen, ist für viele von uns eine Herausforderung – aus unterschiedlichen Gründen. Doch wie hätten wir wohl Weihnachten 1943 gebetet, inhaftiert und den Tod vor Augen? In genau dieser Situation befand sich der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, als er das folgende Morgengebet schrieb – für seine Mitgefangenen.

Beim Lesen fällt auf, dass er die düstere Realität nicht beschönigt: Er spricht von Finsternis, Einsamkeit und Bitterkeit … Doch selbst in diesen schwierigen Umständen wendet er sich an den guten und barmherzigen Gott, der Licht, inneren Frieden, Hoffnung, Kraft und Trost schenkt. Bonhoeffer vertraut darauf, dass Gott ihn nicht vergessen hat. Die Gewissheit seiner Treue und Gegenwart stärkt ihn. Die Realität Gottes ermöglicht es ihm und seinen Mitgefangenen, ihr Schicksal zu ertragen und durchzustehen. Dieses Gebet hat seitdem unzähligen Menschen Mut gemacht und gilt als Klassiker.

Gott,
zu dir rufe ich am frühen Morgen,
hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;
ich kann es nicht allein.

In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht.
Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht.
Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe.
Ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden.
In mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld.
Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den rechten Weg für mich.

Vater im Himmel,
Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht.
Lob und Dank sei dir für den neuen Tag.
Lob und Dank sei dir für alle Deine Güte und Treue.
in meinem vergangenen Leben.

Du hast mir viel Gutes erwiesen,
lass mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.
Du wirst mir nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann.
Du lässt deinen Kindern alle Dinge zum Besten dienen.

Herr Jesus Christus,
du warst arm und elend, gefangen und verlassen wie ich.
Du kennst alle Not der Menschen.
Du bleibst bei mir, wenn kein Mensch mir beisteht.
Du vergisst mich nicht und suchst mich.
Du willst, dass ich dich erkenne und mich zu dir kehre.

Herr, ich höre Deinen Ruf und folge.
Hilf mir!

Heiliger Geist,
gib mir den Glauben,
der mich vor Verzweiflung und Laster rettet.
Gib mir die Liebe zu Gott und den Menschen,
die allen Hass und alle Bitterkeit vertilgt.
Gib mir die Hoffnung,
die mich befreit von Furcht und Verzagtheit.
Lehre mich Jesus Christus erkennen und seinen Willen tun.

Dreieiniger Gott,
mein Schöpfer und mein Heiland,
dir gehört dieser Tag.
Meine Zeit steht in deinen Händen.

Heiliger, barmherziger Gott,
mein Schöpfer und mein Heiland,
mein Richter und mein Erretter,
du kennst mich und alle meine Wege und Tun.
Du hasst und strafst das Böse in dieser und in jener Welt
ohne Ansehen der Person,
du vergibst Sünden,
dem der dich aufrichtig darum bittet
und du liebst das Gute und lohnst es
auf dieser Erde mit getrostem Gewissen
und in der künftigen Welt mit der Krone der Gerechtigkeit.

Vor dir denke ich an all die Meinen,
an die Mitgefangenen und an alle,
die in diesem Hause ihren schweren Dienst tun.
Herr erbarme dich.

Schenk mir die Freiheit wieder
und lass mich derzeit so leben,
wie ich es vor dir und vor den Menschen verantworten kann.

Herr,
was dieser Tag auch bringt – dein Name sei gelobt.

Dietrich Bonhoeffers Morgengebet berührt tief unsere menschlichen Nöte und Schwächen und betont gleichzeitig die beständige Treue und Nähe Gottes. Besonders in Krisenzeiten ist es eine große Kraftquelle, sich daran zu erinnern, wieviel Gutes man bereits mit Gott erlebt hat. Dieses Gebet spiegelt den Glauben eines Menschen wider, der mit seinem Gott viele Höhen und Tiefen durchlebt hat. Es kann uns heute ermutigen, unsere Hoffnung ganz auf Gott zu setzen und uns jederzeit an ihn zu wenden.

Gebet hilft uns, mit Gott an unserer Seite Leid zu bewältigen und Trost in schweren Zeiten zu finden. Unser kostenloser Bibelfernkurs Tränen, Trost und Hoffnung bietet einfühlsame Begleitung bei Verlusterfahrungen und Zeiten der Trauer.

In der Bibel sind Leid und Traurigkeit zentrale Themen. Gott möchte uns in unserer Not helfen und unsere Situation wenden. Viele Bibelstellen spenden Trost, Ermutigung und Hoffnung. Ein Beispiel dafür findest du in unserem Artikel über Psalm 137.