Hat Jesus den Verlorenen in der Hölle gepredigt?

Nahaufnahme eines brennenden Holzscheits mit hellen, orangefarbenen Flammen in in einem offenen Kamin, der eine warme und gemütliche Atmosphäre schafft.

1. Petrus 3,18-22 · LUT Denn auch Christus hat einmal für die Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führte; er ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist. In ihm ist er auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis, die einst ungehorsam waren, als Gott in Geduld ausharrte zur Zeit Noahs, als man die Arche baute, in der wenige, nämlich acht Seelen, gerettet wurden durchs Wasser hindurch. Das ist ein Vorbild der Taufe, die jetzt auch euch rettet. Denn in ihr wird nicht der Schmutz vom Leib abgewaschen, sondern wir bitten Gott um ein gutes Gewissen, durch die Auferstehung Jesu Christi, welcher ist zur Rechten Gottes, aufgefahren gen Himmel, und es sind ihm untertan die Engel und die Gewalten und die Mächte.
1. Petrus 4,6 · LUT Denn dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, dass sie zwar nach Menschenweise gerichtet werden im Fleisch, aber nach Gottes Weise leben im Geist.

Manche Christen glauben, dass Jesus nach seiner Kreuzigung in der Hölle war, um dort den Verlorenen zu predigen. Sagt die Bibel das wirklich? Wie sind die Texte aus 1. Petrus 3,18-20 und 1. Petrus 4,6 zu verstehen?

Zweite Chance für die Verlorenen?

Die rätselhafte Aussage in 1. Petrus 3,18-22, dass Jesus den „Geistern im Gefängnis“ gepredigt hat, die zur Zeit Noahs ungehorsam gewesen waren, hat schon einigen Bibellesern Kopfzerbrechen bereitet. Manche verstehen diesen Text so, als hätte Jesus nach seiner Kreuzigung das Totenreich besucht und den Verlorenen eine zweite Chance gegeben. Doch ist das biblisch?

Was spricht gegen eine Höllenfahrt Jesu?

Folgende Bibeltexte helfen uns beim Verständnis dieses Textes:

  • Gott ist allein unsterblich (1. Timotheus 6,16).
  • Der Mensch erhält die Unsterblichkeit erst bei der Wiederkunft Jesu (1. Korinther 15,50-55).
  • Die Folge der Sünde ist der Tod, nicht ein ewiges Weiterexistieren in einer Hölle (Römer 6,23).
  • Ein Toter kann weder denken, noch fühlen, wollen oder handeln (Prediger 9,5.6.10).
  • Bis zur Auferstehung schlafen die Verstorbenen im Grab (Daniel 12,1.2.13; Johannes 5,28.29).
  • Den Verstorbenen wird kein Evangelium verkündigt (Psalm 88,12).
  • Nach seinem Tod hat der Mensch keine erneute Entscheidungsmöglichkeit (Hebräer 9.27).

Von diesen Bibeltexten her gesehen, kann Jesus nach seiner Kreuzigung nicht in der Hölle den Toten das Evangelium verkündigt haben.

Die Bibel kennt keine ewig brennende Hölle

In diesem Text steht auch nichts von einer Hölle, wie sie heute meist verstanden wird. Das griechische Wort gehenna steht für das Tal Hinnom, den Müllplatz vor der Stadt Jerusalem, auf dem täglich aller Unrat verbrannt wurde. Das Neue Testament gebraucht diesen Ort als Symbol für das Gericht Gottes am Ende der Welt.

Info

Nach dem Tod kommt das Gericht, keine zweite Bekehrungschance.

Es wird auch nicht vom Grab und Totenreich gesprochen (bei den Juden der Scheol = Familiengruft, Grabhöhle). Verschiedene Texte wie Psalm 88,12 sprechen davon, dass Toten nicht mehr gepredigt wird. Nach Hebräer 9,27 kommt nach dem Tod nur noch das Gericht und keine zweite Bekehrungschance.

Unsterbliche Seele – kein Glaube der ersten Christen

Auch historisch gesehen, kann Petrus nichts anderes gemeint haben, weil ja die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele erst im 3. Jahrhundert in das Christentum eindrang. Sie wurde schließlich 1515 n. Chr. auf dem 5. Laterankonzil zur verbindlichen Glaubenslehre erhoben. Martin Luther lehnte sie noch strikt als unbiblisch ab (Osterloh-Engelland, Bibl. Theol. Handwörterbuch zur Lutherbibel, Göttingen 1964, S. 626). Man darf nicht im Nachhinein etwas in die Bibel hineinlesen, was ihre Schreiber nicht vertraten.

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Zwei mögliche Auslegungen

Es gibt aber zwei andere Auslegungen, die die biblischen Aussagen über den Tod besser berücksichtigen:

Jesus predigte bereits früher durch Propheten wie Noah

Möglicherweise will Petrus einfach nur sagen: Jesus hat durch den Heiligen Geist auch schon damals (zur Zeit Noahs z. B.) den in Sünde Gefangenen (2. Timotheus 2,26; Jesaja 61,1.2) das Evangelium verkündigt. Aber die meisten haben nicht geglaubt. Das Evangelium ist also keine neue Sache; auch die Toten haben es gehört, und zwar, als sie noch lebten (in Rut 1,8 wird ähnlich von Toten gesprochen; gemeint aber ist auch hier, als sie noch lebten).

Die Verkündigung der frohen Botschaft von der Erlösung ist also keine Sache des Neuen Testaments allein. Sie wurde auch schon zur Zeit des AT den Menschen gepredigt, die inzwischen schon tot sind.

Jesus verkündet den gefallenen Engeln seinen Sieg

Eine andere Sichtweise besagt, dass Christus den gefallenen Engeln nach seiner Himmelfahrt seinen Sieg verkündet hat. Dafür spricht der Kontext, weil in 1. Petrus 3,18 von der Auferstehung Jesu gesprochen wird. („Fleisch“ meint hier das irdische Leben, „Geist“ steht für die Auferstehung). Im auferstandenen Zustand predigt Christus seinen Sieg.

„Geister“ (Plural) bezeichnen im Neuen Testament meist überirdische Wesen wie Dämonen oder Engel. Im Paralleltext in 2. Petrus 2,4.5 wird erneut von Noah, der Anzahl der Personen in der Arche und der Flut gesprochen: „Denn wenn Gott Engel, die gesündigt hatten, nicht verschonte, sondern sie in finsteren Höhlen des Abgrundes gehalten und zur Aufbewahrung für das Gericht überliefert hat; und wenn er die alte Welt nicht verschonte, sondern nur Noah, den Prediger der Gerechtigkeit, als achten neben sieben anderen bewahrte, als er die Flut über die Welt der Gottlosen brachte […]“ Hier sind es die gefallenen Engel, die Gott in Höhlen des Abgrundes festgehalten hat. Die Parallele zu den „Geistern im Gefängnis“ ist unverkennbar.

Das „Gefängnis“ kann ohne weiteres symbolisch verstanden werden, so wie auch Babylon zur Behausung von Dämonen und zum Gefängnis jedes unreinen Geistes wird (Offenbarung 18,2) oder die Erde zum Gefängnis für Satan und Dämonen (Offenbarung 20,7; vgl. V. 2.3). Gefängnis bedeutet, dass sie an einem Ort auf das zukünftige Gericht warten (2. Petrus 2,4; Judas 6).

Jesus ist der Sieger

1. Petrus 3,22 scheint diese Deutung zu bestätigen, wenn es heißt: „Der [Jesus] ist zur Rechten Gottes, nachdem er in den Himmel gegangen ist, und Engel und Mächte und Kräfte sind ihm unterworfen“ (1. Petrus 3,22 ELB). Die Geister im Gefängnis sind Engel, Mächte und Kräfte. Hier wird die Himmelfahrt Jesu und der damit verbundene Sieg Jesu über alle finsteren Mächte geschildert.

Sieg durch Christus

Alle finsteren Mächte wurden durch Christus besiegt.

Davon spricht auch Paulus: „Er [Gott] hat die Gewalten und die Mächte völlig entwaffnet und sie öffentlich zur Schau gestellt. In ihm hat er den Triumph über sie gehalten“ (Kolosser 2,15). Die Gläubigen werden durch 1. Petrus 3,20.21 ermutigt: So wie das Wasser der Sintflut die Ungehorsamen vernichtete, aber Noah errettet wurde, so wird auch das Wasser der Taufe die Gläubigen retten, während alle finsteren Mächte durch Christus besiegt wurden.

Fazit

Eine Höllenfahrt Christi ist nicht biblisch. Stattdessen gibt es andere Möglichkeiten, den Text in 1. Petrus 3,18-22 zu verstehen. Entweder ist gemeint, dass Jesus bereits zur Zeit Noahs durch den Heiligen Geist das Evangelium predigte. Oder es geht darum, dass Christus nach seiner Auferstehung den finsteren Mächten seinen Sieg verkündete.

Zum Nachdenken

  • Warum ist es nicht plausibel, dass Jesus nach seinem Tod am Kreuz in die Hölle gefahren ist?
  • Warum ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass man sich nach seinem Tod nicht mehr bekehren kann?
  • Wie verändert der Sieg von Jesus über die bösen Mächte mein Leben heute?


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